
Strahlentherapie
Medical Data Science
Wir verbinden medizinische Datenanalyse mit digitalen Tools wie PRO, eHealth und Prognosescores, um die onkologische Versorgung individuell zu verbessern.
In der RadioOnkologie, in der Therapiekonzepte in interdisziplinären Kollaborationen ausgearbeitet werden, ist ein effizienter Umgang mit großen heterogenen Datenmengen sehr wichtig. Diese verteilen sich auf verschiedene Informationssysteme in unterschiedlichen Dokumentationsformen und sind für eine optimale Behandlung und die wissenschaftliche Verwendung wesentlich. Bis heute sind Analysen mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand für Auswertungen verbunden. Deshalb ist es unser Ziel, Strukturen und Werkzeuge zu schaffen, um innovative Analysen im Bereich der RadioOnkologie durchzuführen.
Während wir in die Ära der modernen personalisierten Medizin eintreten, liegt ein immer stärkerer Fokus auf der Verwendung verschiedener quantitativer Dateninformationen. Die aktive Beteiligung mehrerer medizinischer Fachgebieten ist dabei sehr wichtig. Das Thema "Big Data" spielt auch eine wesentliche Rolle. Das Sammeln von relevanten Daten ist daher von entscheidender Bedeutung für die beste klinische Effektivität und die Verbesserung interdisziplinärer und klinischer Forschung. Deshalb verbinden wir zwei wesentliche Aspekte: komplexe medizininformatische Strukturen und deren Anwendung innerhalb eines eingehenden medizinischen Kontextes.
Mit Hilfe von Patient-reported Outcome (PRO) können wir das Befinden während und nach der Therapie besser verstehen und gezielter auf Patientenwünsche und -bedürfnisse eingehen. Ein wichtiger Teil der PRO-Erfassung ist die Erhebung der Lebensqualität (Quality of Life, QoL).
Die PRO und QoL-Erfassung hat Vorteile für Ärzte und Patienten. Ärzte befinden sich heute in ihrer Therapieentscheidung in einem ständigen Zwiespalt zwischen dem Wohl des Patienten, dem klinischen Outcome und ökonomischen Überlegungen. Vor allem in der Onkologie, in der die Therapie oft nur lebensverlängernd, aber nicht heilend wirkt, ist es wichtig abzuwägen, ob die Behandlung einen Effekt auf die Lebensqualität des Patienten hat. Es wichtig, bestehende und neuartige Therapieansätze bezüglich QoL zu evaluieren und zu vergleichen. Eine kontinuierliche QoL-Erfassung im klinischen Alltag ermöglicht ein schnelles supportives Eingreifen von ärztlicher Seite oder den Sozialdiensten. Der Patient fühlt sich durch die QoL-Erfassung ganzheitlich verstanden. Er erhält so die Möglichkeit, seinem behandelnden Arzt Informationen zu seinem Gemütszustand zu geben, die über die übliche körperliche Untersuchung hinausgeht.
In unserer Klinik beschäftigen wir uns seit langem mit der Erfassung von PRO und QoL, da sie große Vorteile für Behandler und Patienten bieten. Die Daten sind eine relevante und nützliche Informationsquelle. Besonders in Fällen, in denen langfristige Nebenwirkungen einer Therapie interessant sind, ist PRO eine effiziente Methode.
Wir haben einen besonderen Fokus auf die elektronische Erfassung von PRO Daten (via Web-Interface, App oder digital vor Ort). Dies bietet die Möglichkeit, Kosten und Zeit zu reduzieren sowie die Compliance der Patienten zu erhöhen. Ein weiterer Schritt in Richtung digitale Medizin – Medizin 4.0.
Die voranschreitende Digitalisierung ist ein nichtaufzuhaltender Prozess. Ende 2017 gab es schätzungsweise 2,16 Milliarden Smartphones. Mit ihnen kann man viel mehr als nur Textnachrichten verschicken und Anrufe tätigen. Applikationen (Apps) für Smartphones und Tablets bieten unzählige Möglichkeiten: Von der einfachen Wetter-App zur komplexen Verhaltenstherapie bei depressiven Patienten. Im Google Play Store® gibt es derzeit über 3,4 Millionen Apps, im Apple App Store® sind aktuell ungefähr 2,2 Millionen Apps herunterladbar. Viele dieser Apps fallen in die Kategorie „Health&Fitness“. Die WHO fasst diese Tools unter dem Begriff „mHealth“ (von engl. Mobile Health) oder „eHealth“ (von engl. Electronic Health) zusammen und definiert sie als „medical and public health practice supported by mobile devices, such as mobile phones, patient monitoring devices, personal digital assistants (PDAs), and other wireless devices" (WHO, 2011). Fitnessarmbänder, digitale Blutdruck- und Blutzuckermessgeräte werden heute ganz selbstverständlich mit dem Smartphone verbunden und die Daten ausgewertet. Warum sollen solche Apps nicht auch in der Onkologie ihren Einsatz finden?
Telemedizin definiert die WHO als: “The delivery of health care services, where distance is a critical factor, by all health care professionals using information and communication technologies for the exchange of valid information for diagnosis, treatment, and prevention of disease and injuries, research and evaluation, and for the continuing education of health care providers, all in the interests of advancing the health of individuals and their communities” (WHO, 2010). Die Telemedizin bietet vor allem in Zeiten des Ärztemangels und des Pflegenotstands eine mögliche Entlastung – besonders im ländlichen Bereich. Aber auch als Ergänzung zur Standardtherapie können telemedizinische Ansätze verwendet werden. So kann die kontinuierliche Patientenanbindung an die behandelnde Klinik verbessert werden. Wichtig ist uns dabei immer: Apps können den persönlichen Kontakt zum Patienten nicht ersetzten, aber sinnvoll ergänzen.
In unserer Abteilung haben wir einen besonderen Schwerpunkt auf Apps und Telemedizin in der onkologischen Therapie und Forschung gelegt. Ein Team aus medizinischen Informatikern, Ärzten und Entwicklern arbeitet interdisziplinär zusammen, um neue App-assistierte und telemedizinische Therapieansätze zu schaffen. Der zusätzliche Nutzen ist immens und muss auch in der Medizin ausgenutzt werden: u.a. kontinuierliche Nachsorge, schnellere Reaktion auf Veränderungen des Gesundheitszustands und dabei schnellere Progressdetektion, bessere Kommunikation, langfristig auch Kostenersparnis.
Auch App-basierte klinische Forschung im Sinne von smartRCTs (von engl. Smart Randomized Controlled Trials) ist ein Thema, das immer wichtiger wird. Hier werden Apps bei der Rekrutierung, Dokumentation oder Datenerhebung in Studien eingesetzt und können so dazu beitragen, Zeit und Geld zu sparen. In unserer Forschungsgruppe beschäftigen wir uns zudem mit dem papierlosen Dokumententransfer von medizinischen Daten. So können Ressourcen geschont und dem Patientenwunsch nach Digitalisierung nachgekommen werden.
Prognostische Scores sind in der modernen Medizin ein wichtiges Werkzeug zur Therapieentscheidung, denn es stellt sich nicht selten die Frage: Soll ein Patient operiert werden oder ist eine konservative Therapie ausreichend?
Auch in der Onkologie werden die wissenschaftlich gewonnen Daten in empirisch überprüften Score-Systemen abgebildet. Die Entscheidung zur Therapie kann durch viele Tumor- und Patientenparameter wie beispielsweise Alter, Tumorstaging, Karnofsky-Index, molekulare Tumormarker bestimmt werden. Aber auch andere Parameter – beispielsweise ob bereits eine Operation erfolgt ist oder wieviel Zeit seit der Erstdiagnose vergangen ist, können eine Therapieoption bestimmen. In der Regel bestimmt ein interdisziplinäres Team aus Spezialisten, welche Therapie gewählt wird. Ein Score kann hierbei ein hilfreiches und objektives Medium sein. Die schnelle und IT-basierte Berechnung signifikanter und zuverlässiger Prädiktoren kann in die Patientenklassifizierung und die Therapieempfehlung einfließen.
In unserer Abteilung beschäftigen wir uns mit der empirischen Erarbeitung von Scores zur Stratifizierung von Gruppen, Einschätzung des Krankheitsschweregrades, Evaluation von Outcome und Lebensqualität und Kosten-Nutzen-Analysen. Diese Scores werden in verschiedenen Testreihen validiert. Aber auch die Möglichkeit der automatisierten Generierung von Scores werden in unserer Arbeitsgruppe untersucht.